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Eine Adventgeschichte von Liesl Zwink

Kindheitserinnerungen

Gerade jetzt in der Zeit im Allerseelenmonat November, wenn sich graue Nebelschwaden ins Tal niederdrücken und es umzüngeln, die Tage kürzer und die Nächte länger werden, ein Stimmungstief mein Gemüt bedrückt, schweifen mehrmals meine Gedanken zurück in meine Kindheit. Öfter flammen traurige Erlebnisse, die sich in meine Gedanken eingeprägt und im Herzen verwurzelt haben, wieder auf. So auch dieses schreckliche Ereignis. Es war am 9. März 1946, als ein junger Mann, der kurz zuvor aus der Kriegsgefangenschaft glücklich in seine Heimatstadt Waldmünchen heimkehren konnte, weil das Schicksal es so bestimmte, am Hohen Stein bei Gleißenberg durch einen Arbeitsunfall tödlich verunglückte. Das dort gelagerte Stammholz musste, mit einer in früheren Zeiten üblichen Baumwinde, auf das bereitstehende Fahrzeug aufgewunden werden. Dabei löste sich ein Stamm, welcher den Arbeiter tödlich verletzte. Gerade zu dem Zeitpunkt passierte ich die Unglücksstelle. Der Schock stand seinen Kameraden und mir in den Gliedern. Eine mächtige Blutlache verkrustete sich in den noch gefrorenen Ackerfurchen. Es war für mich, noch nicht elfjährig, schauderhaft an dieser Stelle zu stehen. Der damals schnell verständigte Ortspfarrer, Hochwürdiger Herr Josef Fischer, spendete das Sakrament der letzten Ölung und betet die Sterbegebete. Es möge den Verunglückten der Herrgott ein gnädiger Richter gewesen sein und ihm die ewige Ruhe gewähren.

Anbei will ich begründen, was mir Anlass gab zur Unglücksstelle zu gelangen. In der damaligen Nachkriegszeit war uns Kindern viel Freizeit geboten. Die amerikanische Besatzungsmacht beschlagnahmte das Schulgebäude und somit fand fast ein ganzes Jahr kein Unterricht statt. Mein Großvater und noch drei Arbeitskollegen verdienten als Forstarbeiter den Unterhalt für ihre Familien. Es war wie schon öfter ein herrlicher Vorfrühlingstag und ich, das Nesthäkchen, musste wiedermal das Essen zur ‚Schneiderwiese‘ beim ‚Muggerlbacherl‘ bringen. Auch an dem für mich so grauen Tag! Mein Weg führte durch eine von Dickicht umgebene Waldschneise. Keuchend und von Angst gequält kam ich an und schilderte mit weichem Ereignis ich heute konfrontiert wurde. Das Schreckensgespenst Blutlache wich längere Zeit nicht aus meinen Gedanken. Nachsehend, wenn es schon duster wurde und ich aus der Kesselhütter Richtung kam, lief ich so schnell mich meine Füße trugen, nach rechts sehend, bis der Ortsrand und der Ketterlkamin sichtbar wurde, wich meine Angst. Noch heute kann ich das Feldfleckerl bezeugen, wo das Schicksal dem jungen Mann sein Lebenslicht auslöschte.

Liesl Zwink, Gleißenberg