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Korbflechten – ein selten gewordenes Handwerk

Alfred Stumpf war der letzte Korbflechter im ‚Bayerischen Meran‘

Eigentlich kannten ihn alle Einheimischen nur unter dem Namen ‚Kramer-Resl Alfred‘. Sein richtiger Name lautet Alfred Stumpf und er war ein gebürtiges Gleißenberger Urgestein, wie es in der heutigen Zeit kaum mehr zu finden ist. Der ‚Kramer-Resl Alfred‘ musste die Kriegsjahre des zweiten Weltkrieges sowie die Nachkriegsjahre miterleben. Vor allem in den Nachkriegsjahren gab es keine Arbeit und zudem war 1948 die Währungsreform. Überlebenstaktik war damals für jedermann angesagt. So auch für Alfred Stumpf, der in seinem Bekanntenkreis einen Korbflechtermeister hatte. Von diesem schaute er sich binnen kurzer Zeit dieses Handwerk ab und er begann Körbe zu flechten, die für alle täglichen Bedürfnisse des Lebens zu gebrauchen waren. Dem aber nicht genug, denn es galt zudem auch die hergestellte Ware zu verkaufen und so wurde damit in der ganzen Umgebung mühevoll hausiert, um sich ein paar Mark zu verdienen. ‚Sechs bis sieben Mark für einen großen Wäschekorb konnte man schon verlangen‘, so erzählte Alfred Stumpf. Hinterher erklärte er, dass damals der Eintritt für einen Tanzabend 50 Pfennig und die dazugehörige Halbe Bier 30 Pfennig kostete. Anscheinend ein lukratives Geschäft. Dem war aber nicht so, denn damals jemanden zu finden, der sich einen handgeflochtenen Korb leisten konnte, das war nicht einfach.

Auf dem heutigen Anwesen, in der Bachstraße 1, befinden sich immer noch die Königsweiden, die unzählige Jahre die nötigen Ruten lieferten. Ruten, oder auch Gerten genannt, sind die jährlichen Triebe der Weiden, die innerhalb eines Jahres bis zu zweieinhalb Meter lang werden.


Eine etwa 100 Jahre alte Königsweide dient heute noch als Rohstofflieferant.

Diese Ruten werden im Frühjahr, wenn der erste Saft in die Bäume kommt, abgeschnitten und bei Bedarf geschält. Danach kann man sie gleich verarbeiten oder auch über mehrere Jahre lagern. Man muss aber bei den geschälten Ruten aufpassen, dass sie beim Lagern nicht verschmutzen. Soll dann das abgelagerte Material verarbeitet werden, benötigt es eine gewisse Feuchtigkeit. Dazu ist viel Fingerspitzengefühl erforderlich, konnte man von Alfred Stumpf erfahren, denn die Ruten dürfen nicht zu feucht und ebenso nicht zu trocken sein. Ein Problem dabei ist, dass sich die schmalen Spitzen viel schneller mit Wasser voll saugen als die dickeren Enden.


Abgelagerte Weidenruten benötigen die richtige Feuchtigkeit, um verarbeitet werden zu können.

Wenn alles seine Richtigkeit hatte, dann begann Alfred Stumpf zu flechten. Egal ob Obst-, Brot-, Einkaufs- oder Wäschekorb, alles Erdenkliche lag in seinem Könnensbereich. Dabei hat jeder Korb einen anderen Aufbau. Manche haben einen separat geflochtenen Boden, andere sind im Ganzen geflochten. Der obere Abschluss der Körbe, auch Kranz genannt, ist aber bei allen eine der kniffligsten Angelegenheiten. Ein Laie darf dabei nicht erkennen, wo der Anfang und wo das Ende beim Flechten war.


Alfred Stumpf bei der Herstellung eines Wäschekorbes mit geschälten und ungeschälten Weidenruten.


Ehe als letztes die Tragegriffe angebracht werden, muss der sogenannte Kranz geflochten werden und abschließend werden die überschüssigen Weidenruten fein säuberlich abgeschnitten.

Dazu kommen dann noch die Arten der verschiedenen Tragegriffe. Sie müssen ja zum Teil einige Kilogramm aushalten und dabei darf natürlich kein Fehler unterlaufen. Mit einem so genannten Schloss werden die Griffe am Korb befestigt, damit sie schließlich die erforderliche Last aushalten. Am Ende dieses fast künstlerischen Handwerks entsteht dann in jedem Falle ein individueller Weiden-Korb, der nirgendwo auf der Welt ein zweites Mal zu finden ist.


Obwohl man heute in diesem Handwerk keine Meisterprüfung mehr ablegen kann, präsentieren sich diese fertigen Weidenkörbe wie Meisterstücke.

Heutzutage wird aufgrund der wesentlich kostengünstigeren sowie unermesslichen Varianten von Kunststoffbehältern, die dieses Handwerk fast zum Aussterben brachten, auf diese Individualität der Korbflechter kein großes Augenmerk mehr gelegt. Außerdem ist bei Standmärkten oder irgendwelchen Discountern oft zu beobachten, dass dort ausländische Billigware, die von weitem nicht der Qualität eines echten Korbflechters entspricht, angeboten wird. Dabei bleibt nur zu hoffen, dass das bodenständige Korbflechterhandwerk in unserer ländlichen Gegend nicht ganz ausstirbt, denn somit wäre wieder ein Teil unserer altertümlichen Überlieferung verloren.