Quelle: Gleißenberg – Ein Heimatbuch, von Prälat Josef Kraus, herausgegeben 1973 vom Pfarramt Gleißenberg.
Das Gebiet des Landkreises Waldmünchen (mit Gleißenberg) gehörte einst zum alten Nordgau, den 805 Karl der Große bei seiner Anwesenheit in Regensburg errichtet hatte. Schon im Jahre 1017 wird urkundlich Rötz als zur Marchla Champiae gehörig genannt. Kaiser Heinrich 11. schenkte in diesem Jahr dem Bistum Bamberg, das er gegründet hatte, Rötz und andere Orte, die von da an nach Bamberg abgabepflichtig waren. Im Jahre 1055 werden als zur Marchla Champiae gehörig genannt Toveriho (Döfering) und Slameringen (Schlammering). Anno 1058 wird Tradenwilzingen (Grasfilzing bei Arnschwang) erwähnt. Schon 1073 begegnet uns Neaswertingen (Nößwartling, nordöstlich von Cham), 1086 taucht Vurte (Furth) auf. Im gleichen Jahre werden genannt Puochberg (Puchberg), Sichowa (Sichen, östlich von Cham), Gravat (Grabitz), dann Tichenesberg (Degelberg) und Mazelin (Koth-Maißling). Wenn man heute auf die Dialektaussprache der Leute hinhorcht, klingt in ihren Formulierungen bisweilen noch mehr vom ursprünglichen Namen an, als das die moderne Schriftweise besagt.
Um in dieser Zeit das Grenzland besser zu schützen, setzt der König Ministerialen ein, die von ihren Burgen aus mit waffengeübten Männern die Gegend gegen feindliche Angriffe verteidigen sollen. Kaiser Heinrich IV. hatte die obenbezeichneten Orte mit allem Zubehör 1086 dem Regensburger Domvogt Graf Friedrich von Bogen für treugeleistete Dienste verliehen. Damit war das tapfere Grafengeschlecht der Bogener, die ihre Stammburg auf dem Bogenberg hatten, als mächtiger Grenzwächter gegen die immer unruhigen Tschechen aufgestellt. Diese Grafen von Bogen, die bis zum Jahre 1242 ihres Amtes warteten, haben eine Reihe von Burgen an der Chamer-Further-Senke angelegt oder weiter ausgebaut: Puchberg, Katzbach, Lamberg, Runding, Haidstein, Chameregg, Lichteneck, Amschwang, Hohenbogen, Algen und Walching (das später Neukirchen b.hl. Blut hieß). Freilich legten auch die Slaven an ihrer Grenze Stützpunkte an wie Taus, Neuem, Deschenitz, Bestritz u.a..
Diese deutschen Ministerialen (Dienstmannen) könnte man bezeichnen als Berufskrieger oder Hof- und Verwaltungsbeamte, welche eine wichtige Verteidigungsaufgabe zu erfüllen hatten. Sie waren zum Waffendienst verpflichtet und sorgten so für die Sicherheit des Landes. Man könnte die Ministerialen auf ihren Burgen vorgeschobene Feldwachen heißen, die den Frieden des Landes zu beschirmen hatten.
Ein sehr mächtiges Geschlecht in unserer Nachbarschaft war das der Schwarzenburger auf dem Schwarzwihrberg bei Rötz, das bereits in der Mitte des 11. Jahrhunderts urkundlich nachweisbar ist. Ferner saßen Ministerialen auf der Burg von Waldmünchen und auf der Burg der Gelganter. Die Burg der edlen Hausner war auf dem Burgstall bei Gleißenberg. Weitere Burgen waren in Darstein, Thanstein, Arnstein, Frauenstein, Reichenstein und Altenschneeberg. Die imposanten Ruinen in Murach künden noch von den machtvollen Geschlechtern, die dort saßen. In Wirklichkeit geht die Burgreihe an der ganzen deutschen Grenze entlang. Ihr war der Friede des Landes gegen den östlichen Feind anvertraut und sie hatten das Leben und den Besitz der umliegenden Dörfer und Höfe zu beschützen, von denen sie dafür Naturalabgaben bezogen.
Im Jahre 1270 taucht der Name „Gleizzenberg“ urkundlich zum erstenmal auf. Nicht als ob in dieser Zeit Gleißenberg erst gegründet worden wäre. Hier taucht es auf im Salbuch (Steuerbuch) des wittelsbachischen Herzogs Heinrich von Niederbayern, dem 1242 unsere Gegend durch das Aussterben des Grafengeschlechtes von Bogen zugefallen war. Im Salbuch von 1283 werden die Abgaben von Gleißenberg und seiner nächsten Umgebung folgendermaßen fixiert: „Daz sint diu urbor und die gult in dem Gericht zu Muenichen: Gleizzenberg 10 Schilling minner (weniger) 11 (2) pfenn. (= 298 Pfennig), Luxenried VI (6) Schilling, Gschwand 1 (1) Pfunt (Pfund) 1111 (4) pfenn (= 124 Pfennig). Ried bei Gleißenberg mit einer muel (Mühle) XIII (13) Schilling minner VI (6) pfenn. Zullendorf (Zillendorf) 14 Mutt Roggen, 2 Gänse, 6 Hühncr, 5 Schilling Zinspfennige, Haevsllng (1-läuslern) 1/2 pfunt, Maechtersberg (Machtesbcrg) 14 Schilling minner 5 pfenn., Roßzagel (Roßhof ? ) 71 pfenn., Eschenmaizze 50 pfenn, Chatzpach (Katzbach) 1/2 pfunt, Reinoltsdorf (Rannersdorf) 4 Mutt Roggen, 4 Mutt Haber.
Wenn wir da von „Pfennig“ hören, dürfen wir nicht meinen, er wäre so wenig wert gewesen wie unser heutiger Kupferpfennig. Damals ging es um einen Silberpfennig, der ein Gewicht von anderthalb Gramm hatte. 30 Pfennig sind ein Schilling und 8 Schilling waren ein Pfund. Das Geld hatte damals eine unvergleichlich größere Kaufkraft als heute. Die 10 Schilling von Gleißenberg waren 300 Pfennig. – Um das Jahr 1200 kostete (nach V 0 ) die Maß Bier 1/2 Pfennig, ein Paar Schuhe 8 Pfennig, 1 Scheffel Roggen 40 Pfennig. Zum Vergleich: Ein Maurer hatte täglich 3 Pfennig Lohn.
Das Jahr 1251 scheint besonders unheilvoll für unsere Gegend gewesen zu sein. Die Tschechen kamen über die Grenze. Ob durch die Further Senke oder über Arnstein, läßt sich nicht sagen. König Ottokar von Böhmen brannte auf seinem Raubzug Dörfer und Siedlungen nieder. Das ursprüngliche Dorf Gleißenberg, das auf dem gleichnamigen Hügel nördlich des jetzigen Dorfes lag, wurde zerstört. Am 6. Januar 1251 eroberten die Feinde Cham. Ein Teil der Einwohner wurde bei der Plünderung der Stadt erschlagen, andere flüchteten, um das Leben zu retten, gingen aber nicht selten durch die Kälte zugrunde.
Sechs Jahre später fiel Ottokar wieder in Bayern ein und stieß bis gegen Mühldorf vor, mußte aber dort eine Niederlage einstecken, die ihn zum Rückzug zwang. Noch einmal rückte er im Jahre 1266 in bayerisches Gebiet ein und verwüstete mit Feuer und Schwert, was ihm in die Hände fiel. Da er Gefangene als Sklaven nach Böhmen mitnahm, blieben manche der eingeäscherten Siedlungen öde liegen und wurden Oberhaupt nicht mehr aufgebaut. Das Salbuch aus dem Jahre 1283 bringt verschiedene Orte, die ein Opfer dieser Raubzüge geworden und nur noch dem Namen nach bekannt sind z.B. Treven (ein Waldstück südwestlich von Waldmünchen trägt noch den Namen „Treffen“), Roßzagel (? ), Hoener (vielleicht am Hange des Hienerberges, unweit des heutigen Roßhofes). Es ist in dem genannten Salbuch noch die Rede von einigen Ortschaften, die man heute nicht mehr zu deuten und gleichzusetzen weiß z.B. Spaneisgruen, Haertweigesgruen, Waeldler, Durrenperg, Pevnt. Das Salbuch bemerkt zum Schluß „das leit (liegt) alles öd und solt Zins darauf ligen“. Diese verödeten Orte sind wohl alle ein Opfer der raubgierigen Böhmen gewesen, die von Januar bis zum Mai 1251 Bayern furchtbar verheerten. Die Behörden unseres heimatlichen Bezirkes waren in Waldmünchen (Mönchen, Monacum ad silvas, Waldmönchen). Die oberste Gewalt scheint ursprünglich in der Hand des Richters gelegen zu haben. Schon 1261 begegnet uns in Waldmünchen der Richter Chuno. Um 1300 tritt erstmals der „Pfleger“ auf, der nunmehr der oberste Rechtsträger ist.